Ein Komitee hat eine Unterschriftensammlung für eine Initiative mit dem Namen «Service Citoyen» gestartet. Die Initianten schlagen vor, den Artikel 59 der Verfassung, der den Militärdienst und einen Ersatzdienst regelt, zu ändern. Anstelle eines Militärdienstes, der jeden Schweizer Bürger zum Dienst in der Armee verpflichtet, verlangt die Initiative einen Dienst zum Wohle der Gemeinschaft und der Umwelt für jede Person mit Schweizer Staatsangehörigkeit. Dieser Dienst würde in Form eines Militärdienstes oder eines anderen gesetzlich anerkannten Milizdienstes (Zivilschutz, Zivildienst) erbracht. Allerdings wird im Initiativtext der Bestand des Militärs und des Zivilschutzes garantiert. Darüber hinaus sieht die Initiative vor, dass das Gesetz festlegt, in welchem Umfang auch Personen ohne Schweizer Staatsbürgerschaft einen Dienst leisten sollen.
Service Civil International (SCI) Schweiz lehnt diese Initiative ab. Seit seiner Gründung 1920 opponiert der Verein gegen die allgemeine Wehrpflicht der Schweizer Bevölkerung. Kriegsdienstverweigerung ist ein Grundrecht, das jeder unter allen Umständen ausüben kann. Niemand sollte gezwungen werden, an einem Krieg teilzunehmen, und jeder sollte das Recht haben, nicht zu töten und sich nicht in einer Institution zu engagieren, deren Daseinszweck darin besteht, andere Menschen zu töten. Die vorgeschlagene Verfassungsänderung garantiert dieses Recht nicht, da sie vorsieht, den Bestand der Armee zu garantieren, und damit de facto die Wahlfreiheit aller ausschliesst. Die Freiheit ist nur eine vermeintliche und sie gilt nur, bis die Behörden anders entscheiden. Diese Initiative hat also zur Folge, dass die potenziell mobilisierbare Bevölkerung für eine Militärkampagne erweitert wird, und sie garantiert nicht die Freiheit, nicht zu töten zu müssen. Obwohl etwas anderes behauptet wird, wird es immer eine Hierarchie der Dienste geben, mit dem Militärdienst an der Spitze und seinem Vorrang vor jedem anderen Dienst.
SCI hat sich stets gegen die Militärdienstpflicht ausgesprochen und die Kriegsdienstverweiger verteidigt. Die Einführung des Zivildienstes im Jahr 1996 war ein grosser Fortschritt. Wir anerkennen jedoch, dass die derzeitige Situation Fragen aufwirft, die diskutiert werden müssen, und dass die Initiative interessante Ansätze dazu bietet. Es ist wahr, dass ein obligatorischer Dienst für alle eine Gelegenheit ist, soziale Barrieren zu überwinden und es allen zu ermöglichen, sich in einem egalitären Umfeld oder einer Gruppe mit unterschiedlichen Lebensperspektiven zu begegnen, um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Es ist auch wahr, dass der Einbezug von Frauen in den Dienst einen Ausgleich schaffen würde in Bezug auf Bürgerverpflichtungen. Solange jedoch die Gleichstellung in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens nicht gewährleistet wird, ist es ungerecht, den Frauen, die, um nur ein Beispiel zu nennen, den grössten Teil der unbezahlten Arbeit leisten, unter dem Deckmantel der Gleichheit einen Bürgerdienst aufzuerlegen. Schliesslich teilen wir die Ansicht, dass die Optionen des Zivildienstes erweitert werden sollten und dass es möglich sein sollte, diesen Dienst in der Feuerwehr, als Samariter oder in anderen öffentlichen Versorgungseinrichtungen durchzuführen. Es erscheint uns wahrscheinlich, dass ein grösserer Teil der Bevölkerung dazu bereit wäre. Aktuell beträgt dieser Anteil nur ein Viertel, was an sich eine Ungerechtigkeit darstellt. Die Erweiterung der Dienstpflicht wirft jedoch die Frage der Zwangsarbeit auf, die der gesamten Bevölkerung aufgezwungen wird.
Es ist wahr, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) den Bürgerdienst und das Verbot von Sklaverei und Zwangsarbeit für vereinbar erklärt hat. Aber nur weil etwas möglich ist, heisst das nicht, dass es auch getan werden soll. Wir sind dagegen, die Menschen zur Teilnahme am Gemeinwohl zu zwingen. Der Zivildienst sollte gefördert und aufgewertet werden, um junge Menschen anzuziehen, die darin Sinn und Nutzen finden, statt der gesamten Bevölkerung etwas aufzuzwingen, das eines totalitären Regimes würdig ist und stark in die individuelle Freiheit jedes einzelnen eingreift. Obwohl die Argumente der Gruppe, die die Initiative initiiert hat, überzeugend erscheinen mögen, ist es viel wahrscheinlicher, dass der Bürgerdienst nur Arbeitsplätze für Zwangsarbeit und Unterbezahlung schafft. Die reale Wirkung der Initiative wäre, dass unter dem Deckmantel des sozialen Zusammenhalts, der Gleichstellung und der Umwelt die gesamte Schweizer Jugend zwangsrekrutiert würde, um die Reihen der Armee zu füllen. Nur wenn diese Reihen gefüllt sein werden, könnte Arbeit im öffentlichen Interesse geleistet werden, aber immer ohne wirkliche Entscheidungsfreiheit.
SCI anerkennt, dass die Initiative eine notwendige Diskussion über die Dienstpflicht ermöglicht und dass einige der vorgeschlagenen Änderungen auf gesellschaftliche Entwicklungen reagieren, aber die vorgeschlagene Lösung ist schlecht. Wir setzen uns täglich für die Förderung des freiwilligen Zivildienstes ein, weil wir wissen, dass die Freiwilligkeit notwendig ist, um die Ziele zu erreichen, die von den InitiantInnen vertreten werden, nämlich Inklusion, aktive Bürgerschaft und Schutz der Umwelt. Wir stützen uns dabei auf unsere Erfahrung, weil wir diese Werte und den freiwilligen Zivildienst seit über 100 Jahren verteidigen. Statt ihn zu erzwingen, wollen wir, dass er gefördert, attraktiv gemacht und anerkannt wird. Sei dies durch die Unterstützung gemeinnütziger NGOs, die Erstattung von Reisekosten für Freiwillige bis hin zur Berücksichtigung der Freiwilligenarbeit bei der Berechnung der AHV.Es gibt andere Lösungen als die allgemeine Dienstpflicht und die sollten bevorzugt werden.
Aus all diesen Gründen und insbesondere, weil unsere Vereinigung für die individuelle Freiheit, die Gewissensfreiheit und das Recht für alle, nicht in der Armee dienen zu müssen, eintritt, lehnen wir den Text der Initiative unter allen Umständen ab.