Keine Lockerung der Ausfuhrbeschränkungen für Kriegsmaterial!

26/01/2023

Die Schweiz exportiert Kriegsmaterial in Länder, deren Regierungen systematisch Menschenrechtsverletzungen begehen. Die Waffenausfuhr der Schweiz hat massiv zugenommen, von 743 Mio. im ganzen Jahr 2021 auf bereits 755 Mio. bis Ende Sept 2022. Die wichtigsten Empfängerstaaten von Kriegsmaterial aus der Schweiz sind neben Deutschland und Dänemark, die USA, Botswana, Qatar und Saudi-Arabien.

Am 1. Oktober 2021 hat das Parlament den Gegenvorschlag zur Korrekturinitiative verabschiedet. Künftig sind Waffenlieferungen an Bürgerkriegsländer und an Staaten, die Menschenrechte schwerwiegend oder systematisch verletzen, verboten. Waffenexporte nach Qatar und Saudi-Arabien sollten also künftig verhindert werden können. 

Der SCI Schweiz hat sich immer wieder gegen die Waffenausfuhr ausgesprochen und wird dies weiterhin tun. Wir können uns nicht einerseits als neutrales Land aus internationalen bewaffneten Konflikten heraushalten und andererseits als Waffenproduzenten und Waffenhändler von den Kriegen profitieren. Zudem hat eine Studie des SECO aufgezeigt, dass die Waffenindustrie in der Schweiz volkswirtschaftlich unbedeutend ist (0.3 % der Wertschöpfung).

Im letzten Jahr ist die Diskussion um die Lockerung des Ausfuhrverbots im Zusammenhang mit der Invasion der Ukraine durch Russland wieder neu aufgeflammt. Konkret ging es um die Weitergabe von Munition für den Flugabwehrpanzer Gepard durch Deutschland und für den Radschützenpanzer Piranha durch Dänemark. Die beiden Staaten haben beim Kauf zugesichert, die Munition nicht ohne Bewilligung der Schweiz an andere Staaten weiterzugeben. Der Bundesrat hat das Gesuch am 3. Juni 2022 abgelehnt. Bürgerliche Kreise um Mitte-Präsident Pfister setzen sich für eine Lockerung dieser Bestimmungen ein. Konkret möchte der FDP-Präsident Thierry Burkhart, dass von den Käufern keine Nichtwiederausfuhrerklärung mehr verlangt wird. Die Käufer der in der Schweiz produzierten Waffen könnten also diese weiterverkaufen, nach den Regeln ihrer eigenen Waffenausfuhrgesetzgebung. Die Schweiz wäre damit nicht mehr in der Verantwortung. 

Es werden im Wesentlichen zwei Argumente für die Lockerung angeführt: Deutschland hat damit gedroht, künftig keine Waffen mehr in der Schweiz zu kaufen, wenn es nicht frei darüber verfügen kann. Aus der Sicht des SCI Schweiz ist das eine wünschbare Entwicklung. Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Waffenindustrie ist gering, und die schweizerische Metallindustrie wird die Fachkräfte, welche Präzisionsmaschinen entwickeln und an ihnen arbeiten, ohne grössere Probleme an neuen, friedlicheren Arbeitsplätzen beschäftigen können.

Das andere Argument, das bei dieser Debatte nicht immer benannt wird, aber mitschwingt, ist die Solidarität mit einem relativ kleinen Land, das seine Souveränität gegenüber einem mächtigen Aggressor verteidigt und einen Krieg führen muss, den es nicht provoziert hat. Und mit Solidarität ist dann immer gemeint, dass Aussenstehende sich am bewaffneten Kampf beteiligen sollen. Selenskyj möchte, dass die NATO die Ukraine zur Flugverbotszone erklärt und sie so vor Bombardierungen und Raketenbeschuss bewahrt. Er will damit die Zivilbevölkerung in den Städten und die Infrastruktur schützen. Das ist verständlich, hätte aber zur Folge, dass sich der Krieg auf die NATO-Luftstützpunkte in Polen, Deutschland, Tschechien etc. ausdehnt, von denen aus diese Einsätze geflogen werden. Hier haben die NATO-Länder eine rote Linie der Eskalation bisher nicht überschritten. Dagegen haben sie in den Jahren vor der Invasion die Ukraine massiv mit Waffenlieferungen unterstützt und tun es, konsequenterweise, immer noch. In der Kriegs- und Bündnislogik ist dies nachvollziehbar. Obwohl die Ukraine nicht NATO-Mitglied ist, wird damit ein Versprechen eingelöst, das der Ukraine und Georgien 2008 am Nato-Gipfel gegeben wurde: «Wir haben heute beschlossen, dass diese beiden Länder NATO-Mitglieder werden sollen.» Es wäre unverständlich, wenn die NATO-Länder dem künftigen Mitglied nicht mindestens mit Waffenlieferungen beistehen würde. 

Die Schweiz ist nicht Mitglied der NATO und hat weder gegenüber der Ukraine noch gegenüber anderen Ländern ein solches Versprechen abgegeben. Nach dem Zusammenbruch der Staaten des Ostblocks und der Sowjetunion hat die Schweiz humanitäre Hilfe geleistet und die Staaten beim Aufbau demokratischer Strukturen unterstützt. Auch der SCI Schweiz hat sich im Rahmen zivilgesellschaftlicher Strukturen dabei engagiert und den internationalen Freiwilligenaustausch und die Friedensarbeit gefördert. Unter den Bedingungen des Kriegs ist dies schwieriger, aber nicht unmöglich geworden. Während eines Kriegs ist es leider fast unvermeidlich, dass die Gesellschaft sich militarisiert. Umso wichtiger sind die Menschen, die Netze gegenseitiger Hilfe knüpfen, die Versorgung aufrechterhalten und die Opfer pflegen und betreuen. Sie sind es, die nach dem Krieg die Grundlagen für den Wiederaufbau legen. Wenn es der offiziellen Schweiz gelingt, hierzu einen Beitrag zu leisten, dann ist dies viel effektiver als die 12’400 Patronen 35-mm-Munition für den Flugabwehrpanzer Gepard.

Die offizielle Schweiz hat als Initiantin mit der Ukraine Recovery Conference 22 vom 4. und 5. Juli in Lugano einen wichtigen ersten Schritt getan. In der Lugano Deklaration verpflichten sich die teilnehmenden Staaten (vor allem die EU), die Ukraine auf ihrem Weg von der Nothilfe zu einem langfristigen Wiederaufbau zu unterstützen. Als Initiantin trägt die Schweiz auch eine Mitverantwortung, dass diese hehre diplomatische Deklaration nicht nur Papier bleibt, sondern auch in konkreten Projekten umgesetzt wird, welche die vom Krieg geschädigten Menschen erreichen.

Was wir hier am aktuellen Beispiel der Ukraine darlegen, gilt auch für unsere generelle Haltung zur Produktion von Waffen und zum Waffenhandel: Schwerter zu Pflugscharen!

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