Der SCI Schweiz setzt sich seit seiner Gründung vor über 100 Jahren für eine friedliche und pazifistische Gesellschaft ein. Kriegsdienstverweigerung ist ein Thema, das immer wieder im Fokus des politischen Diskurses stand und den SCI Schweiz beschäftigt hat. Nun ist die Debatte über die Zulassung von Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine neu entbrannt. Der SCI Schweiz fordert eine humanere Behandlung von Menschen, die sich weigern, an einem völkerrechtswidrigen Krieg teilzunehmen und Kriegsverbrecher in irgendeiner Form zu unterstützen.
Viele Menschen sind bereits aus Russland geflohen. Europa stellt sich die Frage, wie mit dieser Situation umgegangen werden soll. Die deutsche Bundesinnenministerin hat sich für eine erleichterte Aufnahme von russischen Kriegsdienstverweigerern ausgesprochen. Medien berichten, dass andere Länder wie Polen und Estland hingegen die Gewährung von Asyl strikt ablehnen. In der Schweiz können russische Kriegsdienstverweigerer und Deserteure theoretisch Asyl erhalten. Die Hürden sind jedoch sehr hoch, da das Schweizer Asylrecht klar festlegt, dass Dienstverweigerer nicht als Geflüchtete anerkannt werden. Nur unter bestimmten Voraussetzungen wird Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren Asyl gewährt, wenn sie die Kriterien der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllen. Das heisst, dass sie nebst der Bestrafung zusätzlich „wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken.“ [Handbuch Asyl und Rückkehr: Staatssekretariat für Migration SEM]
Für den SCI Schweiz ist es selbstverständlich, dass niemand gezwungen werden sollte, zu töten und sein Leben im Krieg zu riskieren. Darüber hinaus definiert die Genfer Flüchtlingskonvention eindeutig, dass geflüchtete Personen gelten, wenn sie gezwungen sind, einen völkerrechtswidrigen Krieg zu unterstützen. Verschiedenen Berichten zufolge drohen Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren aus Russland bei ihrer Rückkehr schwere Strafen von bis zu 10 Jahren Gefängnis. Unter diesen Umständen erfüllen Kriegsdienstverweigerer aus Russland die Kriterien für die Gewährung von Asyl.
Am Beispiel von Russland sehen wir, dass das Schweizer Asylverfahren zu restriktiv und langsam ist. Linke Parteien fordern aus diesem Grund u.a. die Wiedereinführung des Botschaftsasyls, da die Einreise in den Schengen-Raum vermehrt erschwert wird und mit horrenden Kosten verbunden ist. Der SCI Schweiz begrüsst diese Forderung. Sie umzusetzen, benötigt allerdings eine Gesetzesänderung und bietet keine schnelle Lösung. Aus diesem Grund fordert SCI Schweiz zusätzlich ein rasches und unbürokratisches Asylverfahren in Form eines humanitären Visums für Personen, die sich weigern, an einem völkerrechtswidrigen Krieg teilzunehmen. Mittelfristig muss das Botschaftsasyl wieder eingeführt werden. Es ist selbstverständlich, dass eine Einzelfallprüfung erforderlich ist. Doch kein Mensch darf in ein Land zurückgeschickt werden, denen Strafen wie Folter und unverhältnismässige Freiheitsstrafen drohen.
Der SCI Schweiz fordert zudem gleiches Recht für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aus allen Kriegsgebieten. Das gilt auch für die Ukraine. Das ukrainische Recht sieht zwar die Möglichkeit eines zivilen Alternativdienstes vor, aber nur für die Angehörigen religiöser Gruppen. Kriegsdienstverweigerer aus ethischen Gründen haben keinen Anspruch darauf, eine gewaltfreie Dienstleistung zu erbringen. In der Ukraine gibt es genügend Einsatzmöglichkeiten für gewaltfreien Widerstand gegen die Invasoren und für die Unterstützung der Zivilbevölkerung. Wenn also ukrainischen Kriegsdienstverweigerern aus ethischen Gründen dieses Recht verweigert wird, und sie unverhältnismässigen Repressionen ausgesetzt würden, dann sollen sie auf den gleichen Schutz Anspruch haben wie alle anderen Kriegsdienstverweigerer und Deserteure.
Taktische Überlegungen, wie sie vermehrt in Berichten und Stellungnahmen angestellt werden, dürfen im Asylverfahren keine Rolle spielen. Jede Person muss gleich behandelt werden. Es darf keine Bedeutung haben, aus welcher Region die Menschen fliehen.