Zivildienst dem Zivilschutz unterstellen ist kontraproduktiv

02/05/2023

Stellungnahme des SCI Schweiz zur Schwächung des Zivildienstes von Dienstag, 2. Mai 2023. 

Zurzeit ist eine Vernehmlassung zu einer Änderung des Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes (BZG) im Gange, die eine teilweise Unterstellung des Zivildienstes unter den Zivilschutz vorsieht. Was auf den ersten Blick harmlos aussieht, entpuppt sich bei der näherer Betrachtung als potenziell hinderlich für die Erfüllung wichtiger Aufgaben der Gemeinschaft und damit schädlich für die Gesellschaft.

Das Problem liegt darin, dass Zivilschutz und Zivildienst unterschiedliche Zielsetzungen sowie grösstenteils unterschiedliche Aufgaben haben und unterschiedlich organisiert sind.

Der Zivilschutz ist eine paramilitärische Organisation, die sich vor allem der Vorbereitung und Ausbildung der Schutzdienstpflichtigen für künftige „Grossereignisse, Katastrophen, Notlagen und bewaffnete Konflikte“ widmet (BZG, Art. 28). Bei solchen Ereignissen kann er wertvolle, nützliche Arbeit leisten, wie beispielsweise kürzlich während der Höhepunkte der Pandemie. Allerdings ist der Umfang dieser Einsätze im Vergleich zu der in Ausbildungs- und Wiederholungskursen verbrachten Zeit marginal.

Der Zivildienst dagegen leistet kontinuierlich unverzichtbare Arbeiten im Interesse der Gesellschaft. Er „[…] kommt dort zum Einsatz, wo Ressourcen für die Erfüllung wichtiger Aufgaben der Gemeinschaft fehlen oder nicht ausreichen. […] Wer Zivildienst leistet, erbringt eine Arbeitsleistung, die im öffentlichen Interesse liegt.“ (ZDG, Art. 2) Mit anderen Worten: die Zivis (Zivildienstleistende) verrichten täglich wertvolle Arbeit für die Gesellschaft.

Der Zivildienst wird in so genannten Einsatzbetrieben geleistet. Das können Spitäler, Behinderten- oder Altersheime, Schulen, Alpgenossenschaften, Jugendherbergen, Naturschutzorganisationen usw. sein, wer immer gemeinnützige Aufgaben wahrnimmt. Der Zivi wählt seinen Einsatzbetrieb nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten aus, so dass er optimale Arbeit leisten kann. Ein Medizinstudent wird z.B. eher Hilfsdienste in einem Spital verrichten, ein Bauernsohn eher bei einer Alpsäuberung mitarbeiten.

Wenn nun neu gelten soll „Ausbildung und Einsatz im Zivilschutz erfolgen vorrangig, so dass ein Einsatz im Zivildienst bei Bedarf unterbrochen werden muss“ (so der Erläuternde Bericht), so heisst das nichts anderes, als dass beispielsweise eine Betreuung im Behindertenheim unterbrochen werden muss, damit der Zivi an einem Ausbildungskurs teilnehmen kann. Sinnvolle, hilfreiche Arbeit wird so unterbrochen für die Absolvierung einer Ausbildung, die er vielleicht gar nie brauchen wird. 

Die Unterstellung des Zivildiensteinsatzes unter die Priorität des Zivilschutzes beeinträchtigt die Planbarkeit und Verlässlichkeit der Zivildiensteinsätze im Einsatzbetrieb und damit deren Wirksamkeit.

Da der Zivi genau 368 Zivildiensttage leisten muss, ist jeder im Zivilschutz verbrachte Tag ein Tag weniger, in dem „wichtige Aufgaben im öffentlichen Interesse“ (ZDG, Art. 2) geleistet werden. Statt dem Zivildienst Ressourcen wegzunehmen, sollten ihm vielmehr zusätzliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, beispielsweise durch die Möglichkeit einer freiwilligen Mitarbeit durch Frauen, Militärdienstuntaugliche oder niedergelassene Ausländerinnen und Ausländer.

Wie kam es zu diesem Vorschlag der Gesetzesänderung?

Das Problem liegt beim Zivilschutz, für den kantonale Sollbestände festgelegt sind. In manchen Kantonen wird dieser Sollbestand nicht erreicht. Deshalb steht im Gesetzesvorschlag: „Weist eine Zivilschutzorganisation einen Unterbestand an Schutzdienstpflichtigen auf, so kann dieser ausgeglichen werden mit ….zivildienstpflichtigen Personen“ (BZG Art. 36). Der Zivildienst soll also als Lückenbüsser herhalten, ungeachtet dessen, dass damit wertvolle Arbeit im öffentlichen Interesse verloren geht.

Dabei ist das Problem des Unterbestandes des Zivilschutzes hausgemacht: Der Zivilschutz ist im Gegensatz zur Armee (und zum Zivildienst) kantonal organisiert. Ein Soldat aus dem Thurgau kann ohne weiteres in der Waadt eingesetzt werden, ein Schutzdienstpflichtiger aus Nidwalden aber nicht in Obwalden. Ein interkantonaler Ausgleich würde hier hilfreich sein.

Vor einigen Jahren wurde die Dauer der Zivilschutzpflicht von 20 auf 14 Jahre reduziert. Wenn nun tatsächlich ein Unterbestand besteht, müsste doch zuerst diese voreilige Reduktion wieder aufgehoben werden.

Es ist immer noch möglich, den Zivilschutz auch für zivile Grossanlässe (z.B. Schwingfest Pratteln 2021) anzufordern. Für diese Dienstleistungen gibt es auch Kapazitäten in der Privatwirtschaft. Es macht keinen Sinn, zumal bei knappen Beständen, den Zivilschutz dafür einzusetzen.

Der SCI-Schweiz lehnt diese Gesetzesänderung rundweg ab. Sie löst das vermeintliche Problem des Unterbestandes des Zivilschutzes nicht, sondern schafft eine grosse Unsicherheit für die Einsatzbetriebe des Zivildienstes.

Service Civil International (SCI) Schweiz

AG politische Stellungnahmen

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