Ein Jahr nach dem Einmarsch der russischen Armee in den Donbass möchten wir erfahren, wie es den Pazifist*innen in der Ukraine im letzten Jahr ergangen ist, welche Antworten sie auf die Herausforderungen gefunden haben, und ob und wie sie den gewaltfreien Widerstand organisiert haben. Wir werden mit Andre Kamenshikov von Nonviolence International und Vanessa Bieri von GSoA sprechen. Die Veranstaltung findet am Freitag, 24. Februar, von 19 bis 21.30 Uhr im Kirchgemeindehaus Nydegg, Nydeggstalden 9, Bern statt. Wir freuen uns auf dich!

Der Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine am 24. Februar 2022 hat ganz Europa geschockt. Die vermeintliche Friedensordnung in Europa wurde in Frage gestellt. Obwohl seit der Annexion der Krim 2014 und der russischen Unterstützung der Sezessionisten im Donbass die Zeichen erkennbar waren, dass Russland imperialistische Gelüste hat und von einem Gross-Russland träumt.

Der Schock hat auch die pazifistische Bewegung in Europa zunächst sprachlos gemacht. Wir haben uns in der Geflüchtetenarbeit engagiert, und uns in Demonstrationen und Stellungnahmen mit der Bevölkerung der Ukraine solidarisiert. Es hat eine Weile gedauert, bis die ersten pazifistischen Diskussionen in Gang kamen – zuerst in Deutschland und der EU, dann auch bei uns. Niemand, auch die Pazifist*innen nicht, hat das Recht der Ukraine in Frage gestellt, sich als souveräner Staat militärisch gegen den Aggressor zur Wehr zu setzen. Die Nato-Staaten und die EU haben die Ukraine zuerst zurückhaltend und dann immer klarer mit Kriegsmaterial unterstützt.

In den Nachrichten steht die Berichterstattung über das Kriegsgeschehen im Vordergrund. Die Bevölkerung der Ukraine, so wird berichtet, rückt zusammen und unterstützt die Armee bei ihrer Gegenwehr. Der Wehrwille in Armee und Zivilbevölkerung scheint ungebrochen und wird von den Berichterstatter*innen als wesentlicher Faktor für den bisher erfolgreichen Abwehrkampf gesehen.

Die pazifistischen Stimmen in der Ukraine scheinen verstummt; wir in der Schweiz hören kaum etwas von gewaltlosem Widerstand. In der allgemeinen Stimmung der Entschlossenheit der Ukrainer*innen, ihr Land zu verteidigen, laufen wahrscheinlich pazifistische Stimmen bald einmal Gefahr, in die defaitistische Ecke der Vaterlandsverräter*innen gestellt zu werden. Aber das ist Spekulation – wir wissen es nicht.

Und das Nicht-Wissen möchten wir mit einem Gesprächsabend am 24. Februar 2023, ein Jahr nach dem Einmarsch der russischen Armee in den Donbass. Wir möchten erfahren, wie es den Pazifist*innen in der Ukraine im letzten Jahr ergangen ist, welche Antworten sie auf die Herausforderungen gefunden haben, und ob und wie sie den gewaltfreien Widerstand organisiert haben. Dazu haben wir Andre Kamenshikov eingeladen, der sich seit 1992 in den Staaten der Ex-Sowjetunion als Repräsentant der NGO «Nonviolence International» für die Friedensarbeit und den gewaltfreien Widerstand engagiert. Er lebt in Kiew, und deshalb ist es ungewiss, ob er kommen kann. Falls das nicht möglich ist, wird er uns für ein online Interview zur Verfügung stehen. In den letzten Monaten hat sich die Informationslage über den gewaltfreien Widerstand in der Ukraine etwas verbessert, vor allem durch die Recherche einer Arbeitsgruppe um Felip Daza. Diese Gruppe hat zwischen Februar und Juni 2022 235 gewaltfreie Aktionen in der Ukraine dokumentiert.[1]

In einem zweiten Teil werden wir miteinander diskutieren, was diese Erfahrungen für uns bedeuten. Einerseits in der Unterstützung der pazifistischen Bewegungen in der Ukraine und in anderen Ländern, die von Aggressoren bedroht werden, und andererseits auch für unsere Arbeit hier in der Schweiz. Vanessa Bieri von der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) wird uns dazu einige Denkanstösse vermitteln, doch die Antworten dazu müssen wir dann in der anschliessenden Gruppendiskussion selbst entwickeln und in unserer Praxis in den Organisationen umsetzen.

[1] Daza, F. (2022). Ukrainian Nonviolent Civil Resistance in the face of war: Analysis of trends, impacts and challenges of nonviolent action in Ukraine between February and June 2022. ICIP & Novact. Barcelona, 2022.

Pazifismus in der Krise?

Ein Gesprächsabend

Freitag, 24. Februar, 2023 von 19 bis 21.30 Uhr im Kirchgemeindehaus Nydegg, Nydeggstalden 9, Bern 

Thema: Pazifismus in der Krise? Zwischenbilanz ein Jahr nach der russischen Invasion in der Ukraine (24. Februar 2022)

Konzept: Nach zwei kurzen Inputs liegt das Schwergewicht auf dem persönlichen Austausch zwischen den BesucherInnen (analog den Cafés philosophiques)

Inputs:

  • Wie ist es den pazifistischen Gruppierungen in der Ukraine im letzten Jahr ergangen? Welchen Handlungsspielraum hatten sie? Wie schätzen sie ihre Wirksamkeit ein?

Andre Kamenshikov, Kiew, Regionalleiter Nonviolence International (NVI)

  • Pazifismus in der Krise? Welchen Fragen müssen sich Pazifist*innen in Westeuropa neu stellen?

Vanessa Bieri, Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA), führt in die Fragestellung ein.

Ablauf:

  • ab 18:30 Eintrudeln
  • 19:00 Begrüssung, Kennenlernen, Apéro
  • 19:30 Input: Pazifismus in der Ukraine
  • 19:45 Diskussion
  • kurze Pause
  • 20:30 Input: Pazifismus in der Krise?
  • 20:45 Diskussion
  • 21:30 Abschluss (21:45 Nydegg ab à Zürich HB 23:02, Basel SBB 23:27)

Hast du noch Fragen? Melde dich bei uns: info@scich.org 

https://samouraimma.com/

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