Als Service Civil International Schweiz (SCI Schweiz), einer Organisation, die sich für Frieden einsetzt, sind wir erschüttert, entsetzt und zutiefst betroffen von den unaufhörlichen Aggressionen in den besetzten Gebieten von Gaza, dem Westjordanland und Israel. Wir verurteilen die tägliche Gewalt, das Töten und die Demütigungen, die gegen Internationales Humanitäres Recht, gegen die Menschenrechte und das Urteil des Internationalen Gerichtshofs verstossen. Als Friedensorganisation, die seit Jahren direkt mit lokalen Partnern zusammenarbeitet, um einen Beitrag zum Frieden zu leisten, möchten wir die Situation hiermit aus unserer Perspektive darstellen.
Seit der Attacke vom 7. Oktober 2023 der Hamas auf die israelische Zivilbevölkerung und der darauffolgenden israelischen Besatzung an der Grenze zu Gaza kennt die Regierung Netanjahu keine Grenzen mehr. Für die Befreiung der israelischen Geiseln lässt sie sich nicht auf Verhandlungen ein, sondern bombardiert ganz Gaza zu einem Trümmerfeld. Dabei nimmt die rechtsextreme israelische Regierung in Kauf, dass die Zivilbevölkerung, die Gesundheitsversorgung, die humanitäre Infrastruktur, die wenigen internationalen humanitären Organisationen vor Ort und nicht zuletzt auch die israelischen Geiseln darunter leiden. Hilfe für zivile Opfer wird aktiv verhindert. Es geht der Regierung Netanjahu nicht mehr darum die Hamas zu bekämpfen, sie zu schwächen und an den Verhandlungstisch zu zwingen, sondern um die gesamthafte Zerstörung der Hamas, des palästinensischen Volks und allen seinen Institutionen. Mittlerweile hat sich diese Gewalt auf benachbarte Länder wie den Libanon ausgeweitet und die Situation eskaliert täglich stärker.
Wir gedenken aller Opfer dieser brutalen Gewalt:
- der Zivilbevölkerung in Gaza, dem Westjordanland und dem Libanon
- der immer noch inhaftierten israelischen Geiseln und ihrer Angehörigen
- den traumatisierten Soldat*innen
Der momentane internationale Diskurs ist enttäuschend, nationalstaatliche Unterstützungen sind durch Eigeninteresse, kapitalistische Profite und historisch geprägte Schuldeingeständnisse geprägt, es fehlen Mechanismen zur Durchsetzung wegweisender Gerichtsurteile, Waffen werden en-masse geliefert und der gesellschaftliche Diskurs ist verfangen in einer plakativen Schwarz-Weiss Rhetorik. Dies lässt keinen Spielraum für die wichtigen Diskussionen, die zukunftsgerichtet auf Lösungen hinsteuern würden.
Aus unserer Erfahrung ist Frieden ein Prozess, der durch Menschen geprägt ist. Es sind die vielen aus der lokale Bevölkerung und in Austausch stehenden Bewegungen und Organisationen, die friedvolle Gesellschaften prägen und den Weg zum Frieden zeigen. Insbesondere in einer solch gewaltvollen und erschütternden Situation wie Palästina-Israel ist es an der Zeit, von diesen lokalen Organisationen Inspiration zu suchen und durch sie informiert, Schritte in Richtung Ende der Gewalt einzuschlagen. Denn nur so können die wichtigen Fragen des Friedens, der Befreiung und der Gerechtigkeit angegangen werden.
Deshalb verlangen wir:
- Sofortiger und dauerhafter Waffenstillstand: Alle Feindseligkeiten, insbesondere gegen die Zivilbevölkerung, müssen in Palästina, Israel und im Libanon unverzüglich beendet werden. Dazu gehört auch die Freilassung aller Geiseln in Gaza und der politischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen.
- Waffenembargo: Wir bekräftigen die Notwendigkeit eines globalen Waffenembargos gegen alle Parteien, die den Konflikt anheizen. Der Handel und die Weitergabe von Waffen, Überwachungstechnologien und militärischer Infrastruktur, die vom anhaltenden Konflikt profitieren, müssen beendet werden.
- Einhaltung des Internationalen Humanitären Rechts, der Menschenrechte und der Urteile des Internationalen Gerichtshofs.
- Humanitäre Hilfe und Unterstützung: Wir fordern sofortigen und uneingeschränkten Zugang humanitärer Hilfe für die betroffenen Gebiete in Gaza und im Libanon. Wesentliche Güter und Dienstleistungen müssen wiederhergestellt werden. Insbesondere die Arbeit des UNRWA ist unerlässlich.
- Sanktionen gegen Israel: Wir fordern die internationale Gemeinschaft auf, Sanktionen gegen den Staat Israel zu verhängen. Diese Sanktionen sollten so umgesetzt werden, dass sie gezielt das zionistische Regime einschränken (und nicht Palästinenser*innen bzw. die Zivilbevölkerung in diesem Gebiet).
- Friedensprozess: Alle Parteien müssen sich zu einem echten Friedensprozess verpflichten, der die Ursachen des Konflikts anspricht für die Schaffung von Bedingungen für einen gerechten und dauerhaften Frieden in der Region. Es braucht zudem eine Aufklärung und Verfolgung aller Kriegsverbrechen durch alle Akteur*innen.
Von der Schweizer Regierung verlangen wir:
- Die Weiterführung der Unterstützung des UNRWA
- Strikte Umsetzung des Waffenausfuhrverbots auch für dual-use Güter in die Region
- Stopp der militärischen Zusammenarbeit mit Israel
- Diplomatische Unterstützung des Friedensprozesses im Nahen Osten
- Dass sie von Israel die Einhaltung der 4. Genfer Konvention fordert, insbesondere ihre Verpflichtungen als Besatzungsmacht in Gaza und der
Wir erklären uns solidarisch mit den lokalen Partnerorganisationen in Palästina und Israel des globalen SCI Netzwerks und unterstützen ihre Arbeit, insbesondere die unseres Partners Tent of Nations Palestine.
Diese, sowie viele weitere lokale Organisationen sind der Keim, aus dem eine Friedenslösung wachsen kann, wenn die Waffen schweigen. Hier ist eine (unvollständige) Auflistung lokaler Organisationen, wie Friedensarbeit vor Ort machen (diese sind nicht alle Teil des SCI-Netzwerks):
Rabbis for Human Rights (https://www.rhr.org.il/eng)
Jüdische Geistliche aller Richtungen und Theologie-Student*innen, die sich durch ihre gewaltlose Präsenz einsetzen gegen die Zerstörung der Häuser, Schulen und Olivenhaine der Palästinenser*innen durch jüdische Siedler, oft unter dem Schutz der Armee.
Tent of Nations (https://tentofnations.com/)
Eine Familie, die zusammen mit internationalen Freiwilligen seit 1948 gewaltfreien Widerstand leistet gegen die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage, eines Olivenhains durch die Besatzungsarmee und dessen Übernahme durch die umliegenden illegalen israelischen Siedlungen.
Neve Shalom / Wahat as-Salam (https://nswas.ch/)
Seit 1972 besteht das Dorf des Friedens, in dem sich Juden und Palästinenser Land, Macht, Alltag und Administration teilen. Sie zeigen damit den Regierungen im Nahen Osten täglich, dass ein friedliches Zusammenleben möglich und erstrebenswert ist.
Refusers International (https://www.refuser.org/)
ist eine Vereinigung von israelischen Kriegsdienstverweiger*innen, die sich weigern, an der Besatzung und dem endlosen Krieg weiter mitzuwirken und dafür harte Gefängnisstrafen und erhebliche Nachteile in der israelischen Gesellschaft in Kauf nehmen.
Breaking the Silence (https://www.breakingthesilence.org.il/)
Israelische Soldat*innen, die nicht länger schweigen wollen über die Kriegsverbrechen der israelischen Armee in Gaza und die Schikanen und Misshandlungen den die Bewohner*innen der Westbank täglich ausgesetzt sind.
B’tselem (https://www.btselem.org/)
dokumentiert seit 1989 Menschenrechtsverletzungen in den von Israel besetzten Gebieten. Aufgrund ihrer umfassenden Kenntnis des Verhaltens der Besatzungsmacht IDF und der zionistischen Siedler bezeichnet diese israelische Organisation den Staat Israel als Apartheids-Regime.
Es sind diese Initiativen, lokale Widerstände und gewaltfreie Proteste, die im momentanen Diskurs überhört werden. Geprägt von Polarisierungen und Überforderung geben wir dem Weg in die friedliche Zukunft wenig Aufmerksamkeit. Als SCI Schweiz setzen wir uns auch weiterhin für eine differenzierte Auseinandersetzung mit solchen komplexen gewaltvollen Kontexten ein und wünschen uns, dass dies auch verstärkt von Institutionen und Organisationen der Friedensarbeit umgesetzt wird.